Im Dynamowerk

Als Thomas den Schichtleiter der Spätschicht findet, steht der im herrlichen Nachmittagslicht und verhandelt mit einem LKW-Fahrer. "John-Travolta-Frisur, schwarzes Sakko, spitze Schuhe", sagt Thomas. "Guter Typ", sagt er, "schnittig und sehr seriös."
Im Auftrag von Mike Wucherpfennig sollen Wickelköpfe fotografiert werden, die kunstvoll umwickelten Leiterenden der Dynamomaschinen. Wenn sie fertig sind, glänzen sie satt und rot, abstrakte Kompositionen und riesige Schmuckstücke. Der Schichtleiter und zwei Anzulernende stehen dabei. Alle Wickelköpfe sind zum Fotografieren freigegeben, nur einer nicht. "Spitzentechnik", sagt der Schichtleiter mit gedämpfter Stimme und stellt sich mit einem der Anzulernenden davor. Sie machen breite Schultern. So ist der Spitzentechnik-Wickelkopf auf dem Bild nicht zu sehen, trotzdem aber das Fotografieren der benachbarten Wickelköpfe ermöglicht.


Eine Freundin hatte die Idee, ich solle mir vorstellen, die Sammlung sei verloren gegangen und ich müsse sie aus meiner Erinnerung rekonstruieren. Mit diesem Verfahren soll ich zur Essenz der Sammlung vordringen, vermute ich, oder zum Kern meines subjektiven Zugangs zu Siemens.
"Klamt und Bonfert", habe ich gerufen, "und Schütz!" Diese drei würde ich nicht vergessen. Klamt und Bonfert kommen nun hier.

 


Einmal verbringt Thomas einen einsamen Tag in der Niederspannung.

„Viel ist ja nicht los“, sagt der Kollege Abendroth, der dafür zuständig ist, Thomas und das Sammlungs-Büro in der Niederspannung zu betreuen. Er habe sich das schon gedacht. Vermutlich würden die Kollegen sich fragen, warum man bei Siemens für so etwas Geld ausgebe.
Wochen später besuche ich den Betriebsrat der Schaltwerke. Es ist Montag und die Betriebsräte essen Nudelsalat. Sie sitzen zu einem U geordnet in ihrem Versammlungsraum. Ihr Vorsitzender sitzt dort, wo bei einer Hochzeit die Brautpaare sitzen und lädt mich ein, über den Stand unserer Arbeit zu berichten. Als die Rede auf Thomas' Einsamkeit in der Niederspannung kommt, wenden alle die Köpfe und sehen Herrn Abendroth an, fragend, wie ich finde.