Der erste Auftrag für die Sammlung stammt von Gerd von Brandenstein. Er steht dem Berliner Büro der Leitung vor und wünscht sich ein Gemälde vom Uhrenturm, gesehen vom Fürstenbrunner Weg, wie auf seiner täglichen Fahrt zur Arbeit. Von hier gesehen steht der Turm im Grünen. Ich male einen großen Uhrenturm vor milchigem Himmel. Während wir das Gemälde von Präsentation zu Präsentation schleppen, nennen wir es nur noch Der Brandenstein.

 

Später bekommen wir Post aus dem Turbinenwerk. Wenn der Uhrenturm gemalt sei, als Wahrzeichen der Siemensstadt, müsse gerechterweise auch die Behrens-Halle als Wahrzeichen des Turbinenwerkes in Moabit gemalt werden. Im Übrigen erhebt das Messgerätewerk Anspruch auf Den Brandenstein. Schließlich befände sich der Uhrenturm auf ihrem Gelände und mitnichten auf dem des Verwaltungsgebäudes, wo Herr von Brandenstein sein Büro hat.

 

Der Betriebsrat Region Ost lädt uns zur Betriebsversammlung in die Mosaikhalle. Wir dürfen unser Projekt vorstellen. Schulter an Schulter sitzen die Betriebsräte auf dem Podium, die Männer eisern in Jeans. Wer nicht spricht, verschränkt die Arme vor der Brust.
Die Betriebsräte berlinern, die Führungskräfte pflegen süddeutsche Satzmelodien. Wir lernen etwas über die Gepflogenheiten bei Betriebsversammlungen: Allen wird applaudiert, nur den Führungskräften nicht. Die Veranstaltungstechniker lungern auf der Galerie und warten darauf, dass sie mit dem Abbau beginnen können.

Die Betriebsversammlung der Schaltwerke ist dreimal so groß, weshalb für sie ein großes Festzelt im Freilager der Hochspannungsschalter aufgebaut werden muss.
Die Kollegen laufen mannschaftsweise ein: dunkelrot die Vakuum-Schalttechnik, türkis die Niederspannung, rot-blau und blau-gelb die Hochspannung. Ich muss sagen, die Rede des Abgesandten des Bezirksverbandes der IG Metall lässt Verve vermissen. Thomas verteilt unsere Handzettel und kommt sich vor wie ein Helfer der Revolution.

Wir besuchen den Geschäftsbereich Com. Herr Tochtermann führt uns durch die Flure. Er erzählt uns sehr anschaulich von den Herausforderungen der Glasfasertechnik. Wo im Bereich Com produziert wird, sieht es aus wie im Büro, nur dass es auf dem Boden gelbe Linien gibt, die man nicht überschreiten darf. Die Produkte sehen nach nichts aus, sollen aber sehr teuer sein. Auf einem der Schreibtische sieht Thomas kleine Skulpturen aus Draht und Muttern, wie er sie selber vor 25 Jahren von seinem Onkel geschenkt bekommen hat, der Direktor einer Metallfachschule war. Seine Skulptur hat einen Surfer dargestellt. Wir folgern, dass die Draht-Muttern-Skulpturen nicht aus der Mode gekommen sind.


Am Sonntag

Um Ralf Schrolles Auftrag nachzukommen und die Siemens-Schuckert D III zu fotografieren, machen wir einen Fahrradausflug zum Luftwaffenmuseum in Gatow. Es ist ein fahler, heißer Sonntagnachmittag. Gnadenlos liegt die Weite des Flugfeldes zwischen Neubausiedlungen und staubigem Kiefernwald. Das Museum wird von der Bundeswehr betrieben. Die Bundeswehr verlangt keinen Eintritt und empfängt ihre Besucher freundlich. Tschechische MIGs, russische Tupolews, Starfighter der Bundeswehr, der Fieseler Storch der Wehrmacht und Familien, in denen begeisterte Väter auf ihre Ehefrauen und Kinder einreden.
Auf dem Rückweg kaufen wir an der Straße nach Potsdam Spargel. Der Mann, der den Stand betreibt, hat Besuch von einem Freund, und beide scheinen sie sich mit einem Bier auf einen herrlichen freien Sommerabend am Straßenrand einzustimmen.