Der Auftrag

Ich war vom Siemens Arts Program eingeladen, mich mit Siemens in Berlin zu beschäftigen. Ob es die überhaupt noch gäbe, wurde ich gefragt. Ob da noch produziert würde. „14.000 Mitarbeiter“, habe ich geantwortet und so getan, als sei mir fundiertes Wissen über den Industriestandort Berlin eine Selbstverständlichkeit.
Dann habe ich die bestehenden und die ehemaligen Berliner Betriebsstätten von Siemens mit dem Fahrrad besucht. Ich erinnere mich, dass jeder der Tage schwül war, an denen ich so durch die Stadt fuhr.
Wo das Kreuzberger Werk lag, zwischen Koch- und Charlottenstraße, findet sich ein Gewerbekomplex aus den 60er Jahren. Verbeulte, heruntergelassene Jalousien, das Stuhlcenter Berlin, ein Forum Berufsbildung, ein Haufen blinder Fenster und fahles Licht. Im ersten Stock wird Deutsch-Türkischer Fotosatz angeboten, an der Haustür lehnen Paletten. „Das Hochhaus und die Ellipse an der Kochstraße haben Sauerbruch & Hutton gebaut“, sagt Thomas. Thomas weiß immer, wer was gebaut hat. Er ist Wirtschaftsingenieur und wir beschließen, uns gemeinsam mit Siemens in Berlin zu befassen. Das hört sich gleich viel seriöser an, finde ich.
Am Salzufer, wo das sogenannte Charlottenburger Werk war, steht ein Gebäude der Technischen Universität, „das Informatikgebäude“, laut Thomas. In den düsteren Gängen mit den niedrigen Decken gibt es Kopierer, Kopierkartenautomaten und leere Pinnwände. Im Café der Fachschaft liegt eine Unterschriftenliste aus für den Erhalt der studentischen Cafés. „Wer bin ich?“ steht auf einem Plakat des Institutes für berufliche Bildung und Arbeitslehre.
In der Helmholtzstraße gerate ich in ein Gewitter. Ich warte lange unter dem Vordach des aufgegebenen Vereinslokals des FC Göztepe. Im falschen Glauben, es könne sich um das Gelände des früheren Glühlampenwerkes von Siemens & Halske handeln, mache ich eine Zeichnung vom Betriebsgelände der Berliner Verkehrsbetriebe.

Für unsere Forschungen haben wir uns den Namen Sammlungs-Büro zugelegt und die Berliner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen um Beiträge gebeten. „Was soll in einer Sammlung Siemens Berlin nicht fehlen?“, lautete unsere Frage. Vorschläge, Beiträge und Aufträge waren gleichermaßen erwünscht. Als zeitgenössisches Sammlungs-Büro haben wir eine Webseite geführt; um unseren romantischen Vorstellungen von Aktivismus im Betrieb Rechnung zu tragen und persönliche Bekanntschaften zu machen, sind wir mit einem mobilen Stand und einigen Sammlungsobjekten durch die Werke und Kantinen gezogen.